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Mahnwache

Inklusions-Mahnwache in Bregenz

Menschen mit Behinderungen demonstrierten für ihre Grundrechte in Österreich

Die Geduld findet ihr Ende mit dem neuen Nationalen Aktionsplan Behinderung – so der Tenor der heutigen Mahnwache in Bregenz. In ganz Österreich wurde gegen die Unterlassung der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention demonstriert und Mahnwachen für die Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen abgehalten. Über 80 Demonstrantinnen und Demonstranten versammelten sich trotz strömenden Regens um 11 Uhr vor dem Landhaus in Bregenz.

Gemeinsam mit dem österreichischen Behindertenrat, ÖZIV Landesverband Vorarlberg, Vorarlberger Monitoringausschuss, der Persönlichen Assistenz Vorarlberg, Mensch zuerst Vorarlberg, Integration Vorarlberg und der Kathi-Lampert-Schule setzte sich die Lebenshilfe Vorarlberg am Mittwoch, 28. September, lautstark gegen die Versäumnisse der aktuellen Behindertenpolitik ein. Auslöser für diesen öffentlichen Protest ist der völlig ungenügende Nationale Aktionsplan (NAP) Behinderung. Dieser wurde trotz massiver Kritik von Interessenvertretungen von und für Menschen mit Behinderungen am 6. Juli 2022 vom Ministerrat beschlossen.

Bereits 2008 wurde die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen von Österreich unterzeichnet. Noch immer haben Kinder und Jugendliche mit Behinderungen nicht den gleichen Zugang zur Bildung wie jene ohne Behinderungen. Noch immer ist Barrierefreiheit die Ausnahme und nicht die Regel. Noch immer können viele Menschen mit Behinderungen nicht selbstbestimmt leben, weil sie keinen und wenig Zugang zu Persönlicher Assistenz haben. „Wir warten nun schon seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich – also 14 Jahre – auf die Umsetzung der darin enthaltenen Rechte für Menschen mit Behinderungen, zu der sich Österreich verpflichtet hat“, erklärt Karin Stöckler, Präsidentin des ÖZIV-LV Vorarlberg. „Wir erwarten jetzt, dass unsere Forderungen endlich ernst genommen werden und die politischen Entscheidungsträger nicht immer nur von Inklusion und Selbstbestimmung reden, sondern diese endlich umsetzen.“

Teuerung belastet zusätzlich Menschen mit Behinderungen

Jetzt stehen auch noch harte Zeiten mit explodierenden Preisen bevor. Viele Menschen mit Behinderungen sind in ihrer Existenz bedroht und haben keinen Zugang zum Arbeitsmarkt. „Es bleibt uns nichts anderes mehr übrig, als auf die Straßen zu gehen, um für unsere Menschenrechte einzutreten“, erklärt Klaus Widl, Interimspräsident des Österreichischen Behindertenrates.

Der NAP sollte dazu dienen, die nächsten Schritte in Österreich zu definieren, um die Rechte von Menschen mit Behinderungen entsprechend der UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen. Er ist die Basis für ein gutes Leben für alle. Doch der neue Plan zeigt, der politische Wille fehlt, ein inklusives Miteinander zu erreichen. „Wir Menschen mit Behinderungen haben genug. Die Politik ist jetzt gefordert, endlich die richtigen Maßnahmen zu treffen – heute und nicht übermorgen“, betont Klaus Brunner, Selbstvertreter und Vorstandsmitglied der Lebenshilfe Vorarlberg. „Unsere Geduld ist am Ende. Wenn nur eine Politikerin oder ein Politiker für einen Tag mit einem Menschen mit Behinderungen tauschen würde, dann wäre die Maßnahmen schon gestern umgesetzt.“

Endlich handeln!

Die massive Kritik, die es bereits vor der Veröffentlichung des neuen NAP vonseiten der Interessenvertretungen von und für Menschen mit Behinderungen gab, ging ins Leere. So wird zusätzlich für die Umsetzung des NAP eine ausreichende Finanzierung notwendig sein. Das wurde von der Lebenshilfe und anderen Behindertenverbänden mehrfach deutlich gemacht. „Im Entwurf zum NAP war noch die 'Schaffung eines Inklusionsfonds' verankert. Im nun vom Ministerrat beschlossenen NAP ist nur mehr von der 'Prüfung der Schaffung eines Inklusionsfonds' die Rede“, erläutern Markus Neuherz, Generalsekretär der Lebenshilfe Österreich, und Michaela Wagner-Braito, Geschäftsführerin der Lebenshilfe Vorarlberg unisono.

Die Politik hätte bereits genug gute Beispiele und Möglichkeiten, um die Situation von Menschen mit Behinderungen deutlich zu verbessern. Zu lange wird bereits vertröstet und gewartet. Sie ist gefragt, jetzt zu handeln. „Eine inklusive und dadurch nachhaltige Welt dient uns allen“, ermutigt Klaus Brunner abschließend.

Menschen mit Behinderungen fordern von der Bundesregierung und den Landesregierungen:

  • Ein inklusives Bildungssystem: 
    Kinder mit Behinderungen werden von Kindern ohne Behinderungen im derzeit vorhandenen Bildungssystem noch immer getrennt. Das hat nachweisliche Auswirkungen auf die Zukunft von Kindern mit Behinderungen und führt uns nicht zur Inklusion.
  • Existenzsichernde Arbeit: 
    Die Arbeit in den Werkstätten der Lebenshilfe soll für viele Menschen mit Behinderungen ein Sprungbrett in den allgemeinen Arbeitsmarkt sein. Auf dem Arbeitsmarkt muss es für Menschen mit Behinderungen passende Unterstützungsmöglichkeiten geben.
  • Bedarfsgerechte, bundeseinheitliche Persönliche Assistenz:
    Auch für Menschen mit intellektuellen oder psychischen Beeinträchtigungen muss eine passende persönliche Assistenz vorhanden sein. Wir fordern eine bundeseinheitliche Regelung!
  • Barrierefreie Gebäude, Kommunikation und Online-Anwendungen:
    Barrierefreiheit in allen Bereichen muss 2022 endlich selbstverständlich sein.
  • Teuerung kompensieren und Armut bekämpfen:
    Menschen mit Behinderungen sind mehr von Armut betroffen als Menschen ohne Behinderungen.